01.11.2019
Drama im Königshaus!
Oder: Das alltägliche Leben ...
So eine Katze hat es nicht leicht im Leben. Dauernd fressen, schlafen und geknuddelt werden – das strengt ganz schön an. Aber was lässt man nicht alles über sich ergehen, um das Personal glücklich zu machen? Als Mitarbeiter der hochherrschaftlichen Bestla von und zu Kemnitz (in Angestelltenkreisen auch liebevoll als »Schlumpfi« bezeichnet), kümmere ich mich natürlich gewissenhaft um die Befindlichkeiten der edlen Dame. Doch was tun, wenn sie nicht zufriedengestellt werden kann?
So geschehen am vergangenen Freitag.
Nachdem einige Schleimflecken beseitigt wurden, die Madame Flauschbauch – natürlich nur aus Liebe zu ihrem Personal – auf dem Boden abgelegt hatte, sagte ihr das dargereichte Essen nicht zu. Aber ich mache den Job ja nicht erst seit gestern. Manchmal muss es eben eine Maus sein und nicht das voller Hingabe vom Personal präsentierte Knuspermahl. Doch auch am Abend wurde der gefüllte Gabentisch verschmäht. Da wird man als erfahrener Concierge natürlich etwas stutzig, zumal das Königstier sonst eher in die Kategorie Staubsauger fällt – erst fressen, dann fragen – und normalerweise vor allen anderen am gedeckten Tisch erscheint, um sich den zugegeben etwas rundlichen, aber sehr flauschigen Bauch zu füllen.
Mehr lesen ...Es kam der Samstag und das Spiel wiederholte sich. Die Herrscherin mochte noch immer keinen Krümel. Nun – und das sage ich natürlich nur hier und würde es der edlen Dame gegenüber nie erwähnen –, sie hatte genug Polster, von dem sie zehren konnte. Dennoch konsultierte ich unsere Unternehmensberaterin, Frau Dr. Tierarzt. Diese sah noch keine Gefahr für das Königshaus, dennoch empfahl sie eine Beobachtung der Ernährungssituation. Viel beobachten ließ sich jedoch nicht, denn es passierte nichts.
Als am Montag immer noch keine Einnahmen in die herrschaftliche Bauchkasse zu verzeichnen waren, ließ sich ein persönlicher Besuch beim Consultant nicht mehr vermeiden. Normalerweise gefällt es der plüschigen Frau Königin nicht, ihr Heim zu verlassen, doch dieses Mal kamen keine Beschwerden. Das war kein gutes Zeichen! Sorge bereitete auch, dass die sorgsam gepflegten Pölsterchen an den Hüften langsam dahinschwanden und die Queen of Flausch ihre Mahlzeiten zwar interessiert inspizierte – vermutlich, um die Arbeit des Personals zu begutachten –, aber nichts davon anrührte.
Nachdem die herrschaftlichen Strukturen von Herrn Röntgen genauestens durchleuchtet worden waren, konnte festgestellt werden, was der edlen Stubentigerin auf den Magen geschlagen hatte. Da saßen einige Probleme fest, die es zu lösen gab. Unsere Unternehmensberaterin entwickelte zahlreiche Ideen, wie der Weg wieder freigemacht werden konnte. Es folgten unterschiedliche Maßnahmen, um den königlichen Alltag wieder reibungslos ablaufen zu lassen. Und siehe da: Kaum war Miss Samtpfote in den heimischen Gefilden angekommen, trennte sie sich von ihren Problemen. Das gesamte Personal jubelte!
Doch nur für kurz ...
Die am Abend gereichten Minikekse mit Fleischgeschmack dienten wieder nur als Anschauungsobjekt. Die Sorge beim Personal nahm zu. Bereits seit vier Tagen arbeitete der herrschaftliche Plüschball am Abbau des Hüftgoldes – und die Reserven schwanden beinahe so schnell, dass man es mit bloßem Auge hätte beobachten können.
Also gab es am Dienstag wieder eine Unterredung mit Frau Dr. Tierarzt, die mit erneuter Hilfe von Herrn Röntgen feststellte, dass Madame Plüschzottel ihre Probleme einfach nicht loslassen wollte. Nach mittlerweile fünf Tagen ohne Ladung war aus der Königsgaleere nur noch ein mickriges Segelschiffchen geworden, das selbst in ruhigem Wasser kraftlos herumschwankte. Die Sorge beim Personal war erdrückend. Doch Frau Dr. Tierarzt konnte beruhigen und ordnete für Mittwoch Mittag eine manuelle Korrektur an, mit der sie die hartnäckig festsitzenden Probleme entfernen wollte.
Also wurde die – mittlerweile recht übellaunige – Königin, die zum Glück, aber auch zur Sorge des Personals nicht mehr genug Energie hatte, um sich lautstark zu beschweren oder gar zu wehren, erneut in den Besprechungsraum unserer Unternehmensberaterin gebracht. Nach einer sehr ermüdenden, zweistündigen Unterredung unter vier Augen kehrte sie Herrscherin wieder in ihr Schloss zurück – eingekleidet in ein strahlend rotes Gewand. Als langjähriges Personal war uns dieser Anblick bereits bekannt. Schon vor einigen Jahren durfte sich ein jüngerer Sprössling des Hauses mit dem Kleidungsstück schmücken. Zehn Tage schritt er mit stolzgeschwellter Brust durch die herrschaftlichen Hallen, als wolle er herausschreien: »Seht her, ich bin etwas Besonderes!«
Nicht so die Königin! Oh nein! Obwohl ihr ihre Probleme genommen worden waren, kam sie nach ihrem langen Schläfchen nicht auf die Beine. Benommen torkelte sie durch den schweren Seegang, der offenbar auf dem ebenen Boden tobte. Schon nach wenigen Schritten kenterte sie und blieb liegen, unfähig sich zu bewegen. An Essen war gar nicht zu denken. Selbst das kühle Quellnass verschmähte sie. Das Leiden Christi war nur eine Lappalien gegen das, was Frau von und zu Fussel ertragen musste!
Und so führte unser Weg – wieder einmal – in die Büros der Unternehmensberaterin, die sich aufgrund der brenzligen Situation am Königshause bereit erklärt hatte, ihre Pforten auch am Feiertag für uns zu öffnen. Wie es sich für eine Plüschkönigin gehörte, zeigte sich Madame Samtpfote beim auswärtigen Besuch natürlich von ihrer besten Seite. Kaum hatte sie ihr rotes Gewand an der Garderobe abgeworfen, stolzierte sie durch die Räumlichkeiten. Doch ihre Maskerade wurde von Frau Dr. Tierarzt natürlich durchschaut und wieder folgten einige Direktmaßnahmen, um den Haushalt auf ein akzeptables Level zurückzubringen. Zur Stärkung und zum Schutz vor nicht erwünschten Leck-Attacken gegen den königlichen Leib warf sie sich schließlich wieder in ihr rotes Gewand.
Doch die ganze Arbeit zeigte keine Wirkung. Gelüstet es der Dame nach einer schmackhaften Mahlzeit? Nein, danke. Vielleicht ein kühles Quellwässerchen? Nein, danke. Und der Seegang nahm zu, das Schiff lag immer häufiger gekentert und bewegungsunfähig auf der Seite. Und hatte ich schon das Leiden Christi erwähnt?
Also wieder ein Ausflug in die Gefilde der Beraterin. Wieder Direktmaßnahmen. Natürlich war Madame Schnurr nach außen wieder ganz die Herrscherin – bloß nichts anmerken lassen! Für ihre Tapferkeit wurde sie mit einem pompösen Kragen ausgezeichnet. Wirklich handlich ist der zwar nicht, doch er unterstreicht ihre königliche Präsenz. Hoch erhobenen Haupts marschierte sie – zurück in ihrem Palast – zielstrebig zum gereichten Wasser. Auch lässt sie sich von ihrem Personal wieder mit Essen verwöhnen. Sie ist allerdings etwas hochnäsig geworden und erwartet, dass ihr die Mahlzeiten bitte persönlich gereicht und direkt auf die Zunge gelegt werden.
Und wir erfüllen ihr natürlich ihren Wunsch. Sie ist schließlich die Königin!
Dennoch bleibt die Frage, warum ihr rotes Gewand sie – beinahe auch im wörtlichen Sinne – tödlich beleidigt hat. Vielleicht, weil ein Jungspund es vor ihr getragen hatte und es unter ihrer Würde war? Wollte sie als große Herrscherin von Plüschball zu Fusselbauch auf Samtpfothausen einfach nicht wie eine gewöhnliche, niedere Katze behandelt werden? Ich kann die Frage nicht beantworten. Aber man hat es als Personal manchmal nicht leicht ...
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